Ich halte mich inzwischen als nicht mehr so unerfahren, was Whisky-Destillen anbelangt, habe ich doch bereits in Schottland 8 Besuche. Hier in Island sollte sich das allerdings als kniffliger erweisen.
Wie plant man den Besuch einer Whisky-Destille?
Auf der recht modern gestalteten Website der Eimwerk Distillery findet man nämlich gar nicht so viele Informationen, um einen Besuch abstatten zu können. Ich fand weder eine Adresse, noch so etwas wie Öffnungszeiten oder andere hilfreiche Hinweise. Immerhin gibt es noch eine Facebook-Seite, auf der man glücklicherweise wirklich etwas mehr Informationen finden kann.
Öffnungszeiten gibt es wohl nur 2x wöchentlich und zwar immer dienstags und donnerstags von 16-17 Uhr. Aha. Und wie besucht man diese am besten? Muß man anrufen? Eine E-Mail schreiben? Einfach vorbeikommen? Schwierig, schwierig. Als Adresse ist auf Facebook Lyngás 13 angegeben. Anrufen wollte ich nicht, also erkundigte ich mich zuerst an der Rezeption des Zeltplatzes. Es folgte ein Dialog, bei dem ich am Ende nicht genau wußte, ob ich weinen oder lachen soll.
Ich: Do you know the Distillery?
Sie: The what?
Ich: The Distillery.
Sie: What is it?
Ich: There they produces Whisky.
Sie: Here on Iceland?
Ich: Yep. Here in Reykjavik.
Sie: Sorry, I’ve never heard about it.
Ich wollte noch immer nicht anrufen, also ging ich einfach mal in die Touristen-Information. Dort lief das Gespräch weitaus besser ab. Ich erklärte, daß die Informationen auf deren Websites nicht so viel hergeben. Sie guckte selbst nach und griff anschließend zum Telefonhörer. Was ich mitbekam, klang schon vielversprechend. Und so war es auch. Man kann sie tatsächlich besuchen, muß denen vorher allerdings schreiben, z.B. direkt auf Facebook.
Gesagt, getan. Ich nutzte das freie WLAN im Pub Dillon. Dort gibt es übrigens an die 150 Sorten Whisky. Zu meinem Leidwesen kannte ich die großteils bereits und bei den Preisen will man sich nicht unbedingt durchprobieren. 2 cl Flóki kosten dort z.B. satte 2.000 ISK (umgerechnet fast 16 Euro). Nur wenig später bekam ich auch eine Antwort. Es gibt für den Donnerstag noch eine Tour, kostet 1.500 ISK pro Person und beinhaltet auch die Tastings.
Timing ist alles
Am nächsten Tag plante ich meinen vorherigen Ausflug zur Insel Viðey so, daß ich 14:30 Uhr mit der Fähre zum Alten Hafen bin. 15:12 Uhr und 15:22 Uhr fuhr jeweils die Linie 1 vom Hlemmur Square los. In Ásgarður mußte ich aussteigen. Als ich den Platz erreichte, sah ich gerade die Linie 1 losrollen. Mist. Aber gut, 10min warten sind nun auch kein Beinbruch mehr, dachte ich. Die Fahrt war mit 29min angesetzt, also sollte ich immer noch rechtzeitig 16 Uhr dort ankommen können.
Ich stieg also in den nächsten Bus ein, hielt dem Busfahrer souverän meine Kreditkarte hin und stutzte. Er gab mir zu verstehen, daß ich im Bus nur mit Bargeld zahlen könne, das ich aber vorher Kronen-genau ausgegeben hatte. Im Shop gegenüber könne man aber auch noch Tickets kaufen, dort dann mit Karte. Ich haste also rüber, ordere mir ein Ticket, korrigiere kurz darauf auf zwei, da ich ja auch wieder zurückkommen muß und haste zurück zur Bushaltestelle.
Prima. Auch dieser Bus rollte gerade los, aber noch einen später durfte ich nicht nehmen, also nutzte ich die rote Ampel und gab dem Busfahrer zu verstehen, jetzt so ein Ticket zu haben. (Dabei handelt es sich um einen wirklich kleinen Papierschnipsel.) Zum Glück sind die Menschen auf Island ziemlich freundlich und er ließ mich noch einsteigen.
Es war offensichtlich Schulschluß, denn nur wenig später stiegen haufenweise Schulkinder ein. Auffällig: Beinahe alle sind wirklich blond! Es gab zudem Berufsverkehr, so daß sich die Fahrt um insg. 10min verzögerte. Erst kurz nach 16 Uhr kam ich an der Haltestelle an, rannte dann die Lyngás-Straße entlang und suchte die Destille.
Die Gebäude waren alles nur irgendwelche Lagerhäuser oder Autowerkstätten. Nirgendwo fand ich einen Hinweis auf Eimverk oder Flóki. Ich graste gut 20min die ganze Gegend ab. Leichter Nieselregen setzte wieder ein. Gegen 16:30 Uhr ging ich frustriert und fluchend zurück zur Bushaltestelle, stieg in den Bus ein und nutzte dort das WLAN, um der Destille nochmal zu schreiben.
Ob denn die Adresse auf Facebook falsch sei. Ich konnte nichts finden. Seit um 4 wäre ich da gewesen. Hätte mir alle Türen angeschaut. Er meinte, sie haben keine Schilder und schickte mir dann Screenshots von Google Maps mit Pfeilen drauf, die den Eingang markieren. Ja, genau davor stand ich, antwortete ich und merkte noch an, wie traurig es ist, da das mein letzter Tag in Island sei.
Inzwischen war es 17 Uhr, ich war wieder in der Innenstadt und trottete traurig zum Pub Dillon. Dort nutzte ich wieder das WLAN. Er entschuldigte sich für diesen Trubel, fragte dann allerdings nochmal nach. Er verstehe nicht, wieso ich schon 16 Uhr dort gewesen sei, obwohl wir doch unsere Verabredung erst 6-7 p.m. hätten. Ich scrollte irritiert den Gesprächsverlauf hoch und erkannte, daß dort tatsächlich 6-7 steht und nicht 16-17. Gute Frage, antwortete ich und meinte, mir in dem Falle einfach nochmal zwei neue Bustickets holen zu wollen. Ich packte wieder meine Sachen, hastete zurück zum Hlemmur Square und verpaßte erneut den 12-nach-Bus. Diesmal war der Berufsverkehr allerdings nicht mehr so tragisch, es stiegen auch keine Schulkinder mehr ein und so erreichte ich die Destille tatsächlich pünktlich 18 Uhr.
Die kleinste Whisky-Destille der Welt
Ich öffnete zaghaft die mittlere Tür, da vor dieser ein etwas sichtbarerer Fußabtreter lag. Ich fühlte mich wie in einem Lagerhaus (so sah es von außen auch aus), sah sofort zwei Männer vor mir stehen und erkannte deren Flóki-Shirts. Zugleich begrüßte man mich auch und meinte, ich habe es geschafft. Man hielt mir ein Nosing-Glas mit dem Flóki-Young Malt hin und auf einmal war die Welt wieder in Ordnung. Wenig später kamen noch zwei US-Amerikanerinnen hinzu, die Tour konnte damit starten.
Páll erzählte uns kurz etwas über die noch sehr junge Geschickte der Eimverk Distillery und führte uns dann durch beide Räume der Destille. Man durfte sogar vom Spirit Safe kosten, also das Ergebnis aus der Brennblase. Sau lecker, obwohl das ja fast 70 % Alkohol waren! Mehr gab es nicht zu sehen. Alles spielte sich auf diesem engen Raum ab, der vielleicht max. 4x so groß wie mein Wohnzimmer ist.
Hervorheben muß man, daß sie sämtliche Zutaten aus Island beziehen. Ackerbau gibt es in Island nicht sehr viel, trotzdem können sie ausreichend Gerste beziehen. Der besondere Geschmack kommt von der auf vulkanischen Böden am Polakreis wachsenden Gerste. Der Zuckergehalt ist in der isländischen Gerste deutlich niedriger als z.B. in Mitteleuropa. Dadurch muß etwa 50 % mehr Gerste pro Flasche eingesetzt werden. Es handelt sich dabei übrigens um Bio-Gerste. Durch das raue Klima überleben nur wenig Schädlinge, so daß keine Pestizide oder Kunstdünger eingesetzt werden muß.
Anschließend ging es zurück in Raum 1. Auf einem Faß waren bereits einige Flaschen positioniert. Das eigentliche Tasting konnte also beginnen. Neben dem Malt produziert die Destille auch noch VOR – Icelandic Premium Gin und das in verschiedenen Geschmacksrichtungen.
Insgesamt durften wir eine ganze Palette probieren: 2x den normalen Young Malt sowie 1x einen rauchigen Young Malt (mit Sheep Shit) mit je 2 cl, insg. 4 Gins und 1x Aquavit mit je 1 cl und 1x Gin Tonic. Die Gins sind übrigens auch sehr zu empfehlen. Das könnten so um die 15 cl gewesen sein und das alles für umgerechnet 15 Euro. Nach etwa 90 min mußten wir dann leider gehen, da die nächste Gruppe inzwischen angeklopft hatte.
Alles in allem war das eine wirklich bemerkenswerte Führung, eben so ganz anders als die typischen Touristen-Führungen. Die Fakten zur Destille und zum Herstellungsprozeß wurden recht knapp gehalten. Nachfragen durfte man ja jederzeit. Es wurde sich auf das Wesentliche, auf die Tastings selbst konzentriert. Und was mir persönlich noch sehr gefiel: Páll trank wirklich jedes Glas mit uns mit. (Deswegen liebt er den Job so.)
Ich bin mit einem wirklich glücklichen und zufriedenen Gesicht zurück zum Zeltplatz.